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BURNOUT UND DAS NEUE ICD 11: Was sich bei der Diagnose ändert…

Ob Sie sich das Bein gebrochen oder eine Erkältung eingefangen haben…oder auch wenn Sie eine Depression haben: Krankheiten und Verletzungen werden heute fast überall auf der Welt mit Hilfe eines Diagnoseleitfadens eingeordnet und klassifiziert: und zwar mit dem sogenannten ICD.

ICD ist die Kurzform von ‚International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems‘, auf deutsch: die ‚Internationale Klassifikation von Erkrankungen‘.

Dieses Diagnosemanual wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben. Es orientieren sich sowohl Psychologen und Ärzte als auch die Krankenkassen daran, wenn sie Diagnosen verschlüsseln (codieren).

Über 190 Mitgliedsstaaten der WHO haben es in jahrelanger Zusammenarbeit entwickelt.

In Deutschland ist das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) an der Weiterentwicklung beteiligt.

Seit 1.1.2022 gibt es nun ein neues Manual – das ICD 11 – welches das
ICD 10 ablöst.

Was insgesamt besonders ist:
Das ICD-11 streicht zum 1. Januar 2022 die bisherigen spezifischen Persönlichkeitsstörungen aus dem Katalog. Kein Narzissmus mehr, keine paranoide oder dissoziale Persönlichkeitsstörung. Es gibt nur noch die allgemeine Diagnose „Persönlichkeitsstörung“. Dazu Kriterien, die umschreiben sollen, wie viel Hilfe jemand braucht.
Doch das wäre ein Thema für einen anderen Artikel…

Nun war lange unklar, welche Auswirkungen diese Revision des ICDs für BURNOUT hat.

In diesem Artikel erfahren Sie, was sich bei der Diagnose ‘BURNOUT’ ändert und welche Konsequenzen das hat.

Eine kurze Einführung in die Codierung des ICD

(Wenn Sie bei Ihrem nächsten Arztbesuch die Codierung verstehen wollen, könnte das interessant sein. Ansonsten können Sie diesen Abschnitt auch überspringen…)

Auf Ihren Kranken- und Überweisungsscheinen sehen Sie in der Regel eine ICD-Codierung vor Ihrer Erkrankung.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Sie haben eine Erkältung.
Sie wird mit J06 codiert (Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege).

Der vorangestellte Buchstabe (von A bis Z) bezeichnet dabei jeweils eine Gruppe von Krankheiten:
– Mit A beginnen beispielsweise bestimmte Infektionskrankheiten,
– mit F wurden bisher psychische Krankheiten bezeichnet (das ändert sich im ICD11 auch)
– mit G Erkrankungen des Nervensystems und
– J steht für Erkrankungen der Atemwege (s. Beispiel).

Die Ziffern präzisieren die Erkrankungen (hier 06 für akute Infektionen der oberen Atemwege).

Ergänzt werden alle Codierungen mit Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit:
– A (ausgeschlossene Diagnose)
– G (gesicherte Diagnose)
– V (Verdachtsdiagnose)
– Z (Zustand nach der betreffenden Diagnose)

So…jetzt geht es wieder für alle weiter…😊

Burnout interessiert uns…also…was ist denn nun für Burnout im ICD 11 anders als bisher?

Im bisher geltenden ICD 10 wurde Burnout unspezifisch
– unter Z73 ‚Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung‘ eingeordnet
– und unter Z73.0 als ‚Erschöpfungssyndrom’ (‘Burn-out-Syndrom‘) spezifiziert.

Dabei blieb sowohl der Kontext (also z.B. die Arbeit) als auch der Schweregrad unklar.

Diese Unklarheiten gibt es so im ICD 11 nicht mehr.
Burnout ist hier nun folgendermaßen definiert:

  • BURNOUT ist die FOLGE VON CHRONISCHEM STRESS AM ARBEITSPLATZ, der nicht ausreichend bewältigt werden kann/konnte.
    Dieser chronische Stress kann auf DREI EBENEN auftreten:

    – man hat wenig Energie und fühlt sich erschöpft…
    – man fühlt sich sehr distanziert und/oder hat negative Gefühle dem eigenen Beruf gegenüber…
    – man ist beruflich nur eingeschränkt leistungsfähig…

Wie Sie sehen werden also drei Symptom-Dimensionen beschrieben und Burnout wird zudem eindeutig im Zusammenhang mit arbeitsbedingtem Stress definiert.

Erschöpfungszustände, die durch andere, private Lebensbereiche verursacht werden, fallen nicht (mehr) unter die Burnout-Definition.
(In der bisherigen Diagnostik im ICD 10 wurde das – wie Sie weiter oben gesehen haben – nicht differenziert.)

Viele Menschen hatten sich wohl erhofft, dass Burnout im ICD11 als ‚Erkrankung‘ eingestuft wird.

Erst neulich sagte mir ein Klient, dass er beim Arzt gewesen sei und dass seine Symptome, die er als klassische Burnout-Symptome beschrieb, den Arzt eher ratlos gemacht hätten: „Mehr als ein Medikament war nicht drin.“

Er hatte sich gewünscht, dass sein Zustand von dem Arzt klar als Erkrankung gesehen worden wäre.

Burnout wird jetzt aber auch im ICD 11 nicht als Erkrankung diagnostiziert, sondern weiterhin als Burn-out-SYNDROM.

Was ist der Unterschied zwischen einem 'Syndrom' und einer 'Erkrankung'?

Eine ‘Erkrankung’ ist ein Zustand, dessen Ursache bekannt ist, dessen Symptomatik durchgehend konsistent ist und die in irgendeiner Form ‚messbar‘ ist.
Eine Depression zum Beispiel ist eine Erkrankung.

Ein ‘Syndrom’ ist ein Zustand, bei der es eine Reihe von Anzeichen und Symptomen gibt, die häufig zusammenfallen. Die Ursache ist aber häufig unbekannt und es gibt nicht immer eine messbare (z.B. anatomische) Veränderung.
Hierunter zählt eben zum Beispiel BURNOUT.

Für Klienten gibt es allerdings keinen großen Unterschied zwischen einer ‘Erkrankung’ und einem ‘Syndrom’: bei beiden können ähnlich starke Probleme auftreten.
Und Menschen mit Burnout haben meiner Erfahrung nach zahlreiche – zum Teil tatsächlich diffuse, aber trotzdem sehr starke – Symptome, unten denen sie leiden, auch wenn Burnout ein ‘Syndrom’ bleibt.

Gleichwohl haben sich wie gesagt viele Menschen erhofft, dass Burnout im ICD11 als ‘Erkrankung’ eingestuft wird.

Um nochmal auf den oben erwähnten Klienten zurückzukommen:
Auf meine Frage, welchen Unterschied es für ihn gemacht hätte, wenn der Arzt seine Symptome als ‘Erkrankung’ eingestuft hätte, war seine Antwort: “Ich denke, der Arzt hätte mich dann ernster genommen.”

Ich persönlich glaube nicht, dass nur durch eine andere Einstufung ein Burnout automatisch ‘ernster’ genommen wird.

Ich glaube vielmehr, dass es wichtig ist, dass sich eine Psychologin/ein Arzt auskennt und weiss, WIE SCHWERWIEGEND die Symptome eines Burnout sein können und wie stark Menschen darunter leiden können.

Dann nimmt sie oder er die Person, die unter solchen Symptomen leidet, auch ohne eine Einordnung als ‘Erkrankung’ ernst.

Wie wird das Burn-out-Syndrom denn nun im ICD11 codiert?

Codiert wird Burnout im ICD 11 unter dem Kapitel
“Sonstige Faktoren, welche die Gesundheit beeinflussen” im Abschnitt QD8 – “Probleme in Verbindung mit Arbeit oder Arbeitslosigkeit”.

QD sind sogenannte ‚Qualifying Diagnosis‘ (qualifizierende Diagnosen):
Sie können zusätzlich zu einer ICD-11 Krankheits-Diagnose hinzugenommen werden, um diese spezifischer zu beschreiben oder z. B. ihre (angenommenen) Ursachen zu berücksichtigen.

Zur Verdeutlichung noch einmal ein Beispiel:
– Wenn jemand an einer Depression erkrankt ist, dann wird diese Diagnose als Erkrankung codiert (im ICD11 als 6A7).
– Zusätzlich kann jetzt noch der QD85-Code (also das Burn-out-Syndrom) an diese Depressions-Diagnose angehängt werden.

Wenn ein Psychologe oder Arzt beides diagnostiziert, nimmt er an, dass bei dieser depressiven Erkrankung der Stress im beruflichen Kontext eine (wichtige) Rolle spielt.

Mein Fazit

Auch wenn Burnout jetzt (doch) nicht als ‘Erkrankung’ eingestuft wird, bekommt das Burn-out-Syndrom durch die oben beschriebene umfassendere Definition eine erhöhte Wertigkeit als gesundheitsrelevante Störung.

Außerdem werden Arbeitsbedingungen insgesamt als die Gesundheit beeinflussende Faktoren anerkannt und es wird ihnen in dieser Revision der ICD auch verstärkt Bedeutung zugemessen.

Was bedeutet das nun für uns Unternehmer?

Wenn völlig klar ist, dass Arbeitsbedingungen die Gesundheit beeinflussen können ..und zwar stark!…dann ist es umso wichtiger, dass wir als Unternehmer:innen auf unsere Gesundheit und natürlich auch auf die unserer Mitarbeiter:innen achten.

Stress bei der Arbeit ist eine Variable, die alle Erkrankungen begünstigen und/oder verstärken kann.

Gesundheitsförderungsprogramme in Unternehmen haben in den letzten Jahren auch deshalb stark zugenommen.

Wenn wir also wissen, welch starken Einfluss arbeitsbedingter Stress auf unsere Gesundheit hat, tun wir gut daran, unseren eigenen äußeren – und als Psychologin denke ich vor allem auch an den inneren – Stress zu identifizieren und zu reduzieren.

Eigene (HOHE) INNERE ANSPRÜCHE machen uns innerlich oft großen Stress, wenn sie zu stark sind und uns kaum mal eine Verschnaufpause gönnen.

Deshalb ist es wichtig, die eigenen inneren Ansprüche ZU KENNEN.

Und ZU VERSTEHEN, inwieweit diese Ansprüche bzw. der Stress, den sie uns bei der Arbeit machen, unser Leben und unsere Gesundheit bereits beeinträchtigen.

Und wie groß die Gefahr ist, in ein BURNOUT zu rutschen…

Lesen Sie dazu gerne auch einen anderen Artikel von mir, der FRÜHE ANZEICHEN EINES BURNOUTS beschreibt:
https://gretarauschenberg.com/burnout-oder-nur-ein-problem-der-balance-10-anzeichen-fuer-ein-burnout-und-was-innere-ansprueche-damit-zu-tun-haben/

 

Apropos ICD11 und Diagnosen:

Als Psychologin ist es mein Job, herauszufinden, welche Diagnose vorliegt. 

Falls Sie unsicher sind, inwieweit Sie gefährdet sind,
in ein BURNOUT zu rutschen,
können wir in einem kostenlosen Klärungsgespräch
darüber sprechen.

Danach werden Sie Klarheit haben! 

Hier können Sie einen  Termin mit mir vereinbaren! 
 

Greta Rauschenberg   
Diplom-Psychologin