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GIBT ES BEREITS EINE ‘PERFEKTIONISMUS-EPIDEMIE’? (Oder warum neigt jeder Zehnte von uns zu Perfektionismus?)

Wir Menschen werden immer perfektionistischer...

Tatsächlich zeigt jeder Zehnte von uns perfektionistische Tendenzen.

Insbesondere bei jungen Menschen nimmt die Zahl zu. 

Ich erlebe das auch in meiner Praxis. 

Dass die Menschen, die zu mir kommen, immer öfter unter ihrem großen Wunsch, ihr Leben ‚perfekt‘  machen zu wollen – was immer das dann jeweils heißt – LEIDEN.

Und dass dieser OptimierungsDRANG oft auch in einen OptimierungsZWANG übergeht…

Auch Unternehmer und Selbstständige sind davor nicht gefeit.

Auch wir müssen uns vorsehen, damit wir nicht einem Diktat von außen unterliegen…

Obwohl wir doch vor allem deshalb Unternehmer geworden sind, um freier leben zu können?

Oder folgen wir nun doch dem Mainstream und versuchen, auf diesem Weg perfekt zu sein?

In meiner Praxis betrachte ich das Problem vom jeweiligen Menschen aus, der mir gegenübersitzt.

Allerdings bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, auch den ‚größeren‘ Zusammenhang im Auge zu behalten. 

Und das möchte ich in diesem Artikel tun…

Dass Perfektionismus zunimmt, hat (auch) etwas mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu tun. 

Der Drang, ‘der Beste’ zu sein oder zumindest ‘zu den Besten’ zu gehören und ‘das Beste’ zu haben, zeigt sich umfassend in unterschiedlichsten Bereichen.  

Und wird uns auch von außen nahegelegt…

Bei Studierenden nimmt Perfektionismus linear zu

Curran&Hill, zwei britische Psychologen, haben 2022 die Ergebnisse einer ihrer Studien veröffentlicht:
Zwischen 1989 und 2016 hatten sie insgesamt 41.641 kanadische, amerikanische und britische College-Studenten auf Perfektionismus hin untersucht.
Tatsächlich hatte Perfektionismus linear zugenommen: die Studierenden von 2016 waren perfektionistischer als die von 1989.  

Curran&Hill führten dieses Phänomen darauf zurück, dass die heutigen Studierenden höhere Ansprüche an sich selbst und an andere stellen.

Zusätzlich fiel auf, dass diese Studierenden der Meinung waren, dass auch von außen mehr von ihnen erwartet wird. 

Neben inneren Bedingungen, die jeder Mensch hat und die sich natürlich auch vor dem Hintergrund von äußeren Einflüssen entwickelt haben, stellt sich also auch die Frage nach den äußeren Bedingungen, die es begünstigen, perfektionistisch zu werden. 

Bzw. die den Wunsch verstärken, perfekt sein zu wollen.

Welchen äußeren Optimierungs-Druck und welche Anforderungen gibt es also, die uns Menschen heutzutage immer perfektionistischer werden lassen?

Es gibt gesellschaftliche Ursachen für den zunehmenden Perfektionismus

Leistungsorientierung, wachsende ökonomische Ungleichheit und Unsicherheit, Wettbewerbsdruck und Globalisierung erfordern es, schneller und besser als andere zu sein. 

Viele wollen es ‚bis zur Spitze‘ schaffen. 

Zusätzlich erwartet auch das familiäre und soziale Umfeld, dass die höchsten Schul- und Studienabschlüsse mit Bestnoten erzielt werden.

Auch bei Hobbies (z.B. Musik, Sport) – die ja eigentlich Spass machen sollen – werden außergewöhnliche Leistungen erwartet.

Ich habe es bereits angedeutet: 

Curran&Hill fanden heraus, dass Erwartungen, Druck und Kritik von Eltern hinsichtlich der akademischen Laufbahn von Studierenden zwischen 1989 und 2016 deutlich zugenommen hatten.

Eltern nehmen heutzutage viel mehr Einfluss auf Schule, Freizeit, Studium und Beruf ihrer Kinder als früher und agieren dabei laut dieser Studie zunehmend mehr mit Härte und Strenge.

Und sie haben höhere Anforderungen an ihre Kinder.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie denken, dass die zukünftige Laufbahn und Karriere ihrer Kinder auf sie zurückfällt.

Sie kennen das vermutlich selbst:

Es ist oft kaum mehr möglich, dass Kinder nicht das Abitur machen.

Obwohl es Kinder gibt, die nicht unbedingt dafür gemacht sind und die das auch gar nicht unbedingt möchten. 

Die auch gar nicht studieren wollen.  

Diese Kinder bzw. Heranwachsende haben an praktischer Tätigkeit viel mehr Freude. 

Das höre ich auch in meiner Praxis immer wieder: 

dass Menschen studiert haben, obwohl sie lieber ein Handwerk erlernt hätten.  

Das könnten sie natürlich trotzdem machen…

…aber es ist oft schwer, aus dieser Maschinerie herauszutreten…

Immer wieder geht es nicht (mehr) um die Persönlichkeit des Kindes: WAS IST DAS BESTE FÜR DAS KIND?

Diese Frage gibt es im Rahmen des Optimierungsdrucks kaum mehr. 

Und es wird auch immer weniger die Frage gestellt: WAS IST GUT FÜR MICH?

Vielleicht auch: WAS REICHT FÜR MICH AUS?

Es muss immer das Beste sein.

Und nicht einmal das reicht aus.

Es muss sogar perfekt sein.

Das fängt heutzutage schon ganz früh an…

Immer mehr junge Menschen wollen von Anfang an alles ‚richtig‘ machen und haben auch von sich als Mutter und Vater, die sie dann auch werden, von ihren Kindern, von ihrem Umfeld ganz genaue Vorstellungen:

Das Geschlecht des Ungeborenen muss ‚stimmen‘.

Es muss ebenso ‚perfekt‘ sein wie die Gesundheit des Kindes.

Nicht dass man das nicht verstehen könnte.

Wenn man schon zwei Jungs hat, dann würde man vielleicht gerne eine Tochter haben, wenn man ein drittes Kind erwartet….

Einfach, um vielleicht noch eine andere Erfahrung zu machen…

Und natürlich möchten wir gesunde Kinder haben.

Das ist alles verständlich.

Mir geht es darum, dass es gar keine Wahl mehr zu geben scheint. 

Dass alles SEIN MUSS. Dass alles getan wird, dass es so – eben perfekt – ist. 

Die Geburtsvorbereitung und -klinik muss höchsten Anforderungen genügen.

Die Geburt sollte reibungsfrei verlaufen, weshalb beispielsweise der Wunsch, das Kind mit Kaiserschnitt zur Welt zu bringen, immer mehr nachgefragt wird. 

Vor diesem Hintergrund werden immer mehr Geburtstermine vereinbart…

…das heißt, das Kind kommt auch nicht mehr wann es will…😊

Bis die Kinder dann groß sind, räumen die Eltern viele Hindernisse aus dem Weg

‚Helikopter-Eltern‘ nennt man das auch, wenn diese ‚Sorge‘ übertrieben wird.

Sehr oft sind diese Eltern dann enttäuscht, wenn das Kind etwas anderes möchte als sie selbst.

Auch wenn es gut gemeint ist, kann dieses Bestreben der Eltern mehr schaden als nützen. 

Die amerikanische Psychologin Holly Shiffrin fand mit ihren Kollegen heraus:  

‚Helikoptern‘ kann dazu führen, dass Kinder unselbstständig, depressiv und ängstlich werden.

Dass sie kein Selbstvertrauen und keine Frustrationstoleranz entwickeln. 

Und – das ist sehr wichtig – diese Kinder fühlen sich ganz oft nicht als ‚sie selbst‘.

Übrigens landen sie auch deshalb in psychologischen Praxen.  

Auch die Eltern selbst leiden unter ihrem ‚Helikopter-Verhalten‘. 

Sie setzen sich selbst unter Druck und sie sind überzeugt, dass auch ihre Mitmenschen erwarten, dass sie stets höchsten Einsatz für ihre Kinder bringen sollten. 

Was da innerlich sowohl bei den Eltern als auch bei deren Kindern genau passiert können Sie in diesem Artikel nachlesen… 

Auch in Paarbeziehungen nehmen perfektionistische Ansprüche zu

Jüngere Menschen haben heutzutage wesentlich höhere Ansprüche an potenzielle Partner als früher. 

Sie suchen aufwändiger (z.B. in Online Partnerschaftsbörsen).

Sie investieren viel Zeit und Geld, um den perfekten Partner zu finden.

Ansprüche und Erwartungen sind oft so hoch, dass viele Beziehungen gar nicht erst zustande kommen.

Oder frühzeitig scheitern.

Sogar auf der Ebene von Freundschaften gibt es solche Tendenzen

Die schottische Psychologin Marianne Eberson hat herausgefunden, dass Menschen mit perfektionistischen Tendenzen Probleme haben, sich auf andere einzulassen.

Sie vergleichen sich ständig mit ihren Bekannten und Freunden und entwickeln deshalb mehr Konkurrenzgefühle als Zuneigungsgefühle. 

Zudem haben sie sehr hohe Ansprüche an andere und ziehen sich schnell zurück, wenn diese nicht erfüllt werden. 

Und natürlich sind auch die Ansprüche an sich selbst hoch. Und es wird davon ausgegangen, dass die anderen auch solche Ansprüche an sie haben. 

Dadurch wächst die Angst vor Zurückweisung. 

So geben sich solche Menschen oft unnahbar, um sich zu schützen. 

Das kommt dann oft als ‚Arroganz‘ rüber.   

Vor diesem Hintergrund ist es viel schwieriger für diese Menschen, Freundschaften zu schließen und auch, sie aufrechtzuerhalten.

Die Social Media-Welt tut das ihre, um den perfekten Lebensstil zu kultivieren…

Es gibt zunehmend mehr Fotos und Videos von perfekten Wohnungen, einem perfekten Familienleben und einem perfekten Lebensstil.

Adrette Kinder.

Niedliche Haustiere.

Dadurch streben unzählige Frauen (an dem Punkt sind es tatsächlich vor allem Frauen) danach, ebenso ‚perfekt‘ zu sein… 

Damit tun sie sich aber keinen Gefallen…

Die australischen Psychologen Berle & Coll (2022) haben herausgefunden, dass Frauen mit perfektionistischen Tendenzen, die ihren Vorbildern intensiv auf Facebook und Instagram folgen, sich mit ihnen vergleichen und dabei nicht merken, dass vieles inszeniert und eben nicht ‚echt‘ ist. 

Sie fühlen sich minderwertig, werden neidisch und leiden unter Stress, Depressionen und Angststörungen. 

Oft fühlen sie sich sogar als Versagerinnen, weil sie glauben, dass sie keine so guten Hausfrauen, Ehefrauen und Mütter sind wie ihre Vorbilder.

Auch der Bekannten- und Freundeskreis muss ‚stimmen‘.

Hobbies und soziale Aktivitäten werden perfekt in Szene gesetzt. Und natürlich muss auch der Urlaub perfekt sein.

Es geht dabei um das Bedürfnis, sich von anderen abzugrenzen, sich über andere zu stellen, besser zu sein. 

Und anerkannt zu werden.

Und es geht auch darum, zu einer bestimmten Gruppe zu gehören. 

Das alles erreicht man selten ohne Druck. Und der erzeugt Stress und wird zum Dauerzustand.

Dabei wird in der Regel die geistige, körperliche und seelische Gesundheit vernachlässigt. 

Und Muse und Erholung kommen zu kurz.

Auch der Wunsch, äußerlich perfekt zu sein setzt viele Menschen unter Druck

Um in der Bilderwelt der Medien bestehen zu können, müssen Haut, Haare, Gesicht und Figur einem – wie auch immer gearteten – Schönheitsideal und der aktuellen Mode entsprechen.

Medien zeigen überwiegend Personen, die diesem Ideal sehr nahe kommen. 

Die Vielfalt des menschlichen Aussehens wird ausgeblendet.  

Es wird also definiert, wie eine Person auszusehen hat, wenn sie als gutaussehend und attraktiv wahrgenommen werden möchte.

‚Natürlich‘ auszusehen ist somit nicht erstrebenswert und auch nichts Besonderes mehr.

Zahlreiche Hilfsmittel sollen dabei helfen, dem Schönheitsideal zu entsprechen.

Viele Studien zur Wirkung von bearbeiteten Fotos und Videos zeigen, dass die Betrachterinnen und Betrachter diese – oft nicht sehr realistische – Bilder übernehmen und sie für sich zum Standard machen.

Sie vergleichen sich damit und empfinden sich in der Regel als nicht attraktiv und verbesserungswürdig.

Auch hier sind es vor allem junge Frauen, die dadurch verunsichert und frustriert werden. Und wie gesagt oft sogar depressiv.

Der Preis, der für diese Optimierungs-Maßnahmen gezahlt wird, ist also in mehrfacher Hinsicht hoch. 

Seelisch, zwischenmenschlich, finanziell…  

Können wir bei Perfektionismus bereits von einer 'Epidemie' sprechen?

Der kanadische Psychologe Hewitt (2022) betrachtet Perfektionismus bereits als ‚EPIDEMIE‘ und meint, dass auch in Zukunft sehr viele Menschen – vor allem der jüngeren Generation und vor allem das weibliche Geschlecht – davon betroffen sein werden.

Ich denke, ein ‚Syndrom‘ ist Perfektionismus schon heute.

Perfekt sein zu wollen widerspricht ganz oft so zu sein wie man eben ist. Und viele äußeren Faktoren begünstigen die individuelle Tendenz zum Perfektionismus.

…und in manchen Fällen sind diese äußeren Faktoren sogar ursächlich… 

Durch den Druck und die Norm, besser und schöner zu sein, wird Druck auf den Einzelnen ausgeübt, auch so zu sein.

Was dabei meiner Meinung nach vergessen wird:

…dass wir doch vor allem eben ‚wir selbst‘ sein wollen….

…dass jeder ein Individuum ist.

…dass jeder unterschiedlich aussieht.

…dass jeder auch anders ist.

…dass jeder mehr denn je eigentlich so leben kann, wie er oder sie möchte.

Dass es nicht um Perfektion gehen müsste.

Sondern dass es um Individualität gehen könnte. 

Genau das scheint aber immer schwerer zu werden…

Menschsein ist das Gegenteil von Perfektion

Wir machen Fehler.

Wir haben Schwächen.

Wie verzetteln uns.

Wir benehmen uns schlecht.

Wir können etwas nicht.

Wir Menschen sind in unserem inneren Konfliktwesen. 

Wir haben es also mit INNEREN KONFLIKTEN zu tun.  

Und diese für sich – ganz individuell – zu lösen ist nicht immer einfach. 

Wenn wir perfekt sein müssen…dann sind wir weit weg von uns als Konfliktwesen…

Dann sind wir weit weg davon, dass alles zwei Seiten hat…

Dann sind wir weit weg davon, dass wir unsere ureigene Lebensart, unseren Stil, unsere Freunde, unseren Partner, unseren Beruf, ja auch unsere Arbeitsweise finden.

Dass wir das und den finden, was und der zu uns passt. 

Und nicht das Perfekte…weil es das nicht gibt…

Eine Erfahrung...

Bei einer Unternehmung habe ich einmal eine Frau getroffen, die wirklich topp gekleidet war. 

Alles Marken-Kleidung: Schuhe, Hosen, Bluse, Blazer, Tasche…

Das sah alles an sich schön aus, jedes einzelne Teil.

Aber ganz ehrlich: mir hat einiges davon – an ihr (!) – nicht gefallen.

Wie gesagt, nicht weil ich die Sachen per se nicht schön fand…

Sondern weil einiges davon nach meinem Geschmack nicht wirklich zu dieser Dame gepasst haben.

Ich hatte den Eindruck, sie hat sich diese Kleidung mehr nach den Marken ausgesucht als dass sie überlegt hat, was wirklich zu ihr passt. Womit sie sich vielleicht sogar wohler gefühlt hätte…

Viele Menschen kommen in meine Praxis, wenn sie sich – genau an dem Punkt – orientierungslos fühlen.

Weil sie merken, dass Sie unter einem äußeren (Perfektions-)Druck stehen und gar nicht mehr wissen, was sie eigentlich selbst wirklich wollen.

Das führt dann zu einer depressiven Phase führen oder oft sogar auch zu einem Burnout.

Das Streben nach Perfektion und die Gefahr, an einem Burnout zu erkranken, hängen eng zusammen.
(Wenn Sie das vertiefen möchten, könnte auch dieser Artikel interessant für Sie sein… )

Im Grunde ist es wichtig, dass eine solche Symptomatik auftritt, weil sie zeigt, dass seelisch etwas nicht im Gleichgewicht ist.

Diese Menschen fühlen sich überfordert von inneren und äußeren Zwängen:
wie muss ich sein, wie muss ich aussehen, wie muss ich leben, wie und wen muss ich lieben…

Sie haben keine Antwort auf die Fragen: 

Wer bin denn eigentlich ICH?

Was macht mich aus?

Wie möchte ich leben?

Wie und wen möchte ich lieben?

Was möchte ich arbeiten? 

Mit wem möchte ich wirklich befreundet sein? 

Auch wir Unternehmer müssen uns vorsehen, damit wir nicht einem Diktat von außen erliegen…

Können wir uns noch auf das besinnen, was wir gut können? 

Oder machen wir alles, um anzukommen und verbiegen uns dabei?

Müssen wir dem Mainstream sogar folgen, um noch ‚dabei‘ zu sein?

Verstehen Sie mich nicht falsch: es ist nichts Falsches daran…

Und natürlich muss man sich auch ‘dem Markt’ anpassen…

Aber mich wundert es nicht, wenn so viele Menschen sich ausgebrannt und leer fühlen. Und in ein Burnout rutschen.

Gerade auch Unternehmer.

Eben weil sie sich selbst verlieren…

 

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Greta Rauschenberg   
Diplom-Psychologin