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PERFEKTIONISMUS: WENN GUT GENUG NICHT GUT GENUG IST (Und wie Sie dieser Perfektionismus-Falle entkommen)

Wenn wir ein Unternehmen haben oder selbstständig arbeiten, haben wir hohe Ideale, hohe Ziele, und wunderbare Vorstellungen davon, was wir machen wollen und wie unser Unternehmen aufgestellt sein soll.

All diese Ideale und Vorstellungen sind wichtig, das habe ich an anderer Stelle bereits gesagt.

Weil: wir gründen unser Unternehmen bzw. machen uns überhaupt nur dann selbstständig, weil wir eine Idealvorstellung davon haben, was wir erreichen wollen: wie unser Unternehmen aussehen soll, welche Konzepte wir haben, wen wir anstellen wollen, auf welche Art und Weise wir einen Beitrag für unser Leben und für die Welt leisten möchten.

Wenn wir solche Ideale und hohe innere Ansprüche an unsere Arbeit, an uns selbst und an das eigene Leben haben, kann das aber auch Ausmaße annehmen, die uns quälen und uns nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.

Einer dieser inneren Ansprüche kann sein: ALLES MUSS PERFEKT SEIN.

Wir geben uns nicht mit 80 Prozent zufrieden. Wir ruhen nicht, bis es genauso ist, wie wir es haben möchten. Wir können nicht mehr aufhören mit Optimierungen: an unserem Business, an unserem Leben und an uns selbst.

Das kann schon fast in einen Zwang ausarten. Man findet kein Ende und kann den nächsten Schritt dann auch nicht gehen, weil der vorige noch nicht perfekt ist.

Dann wird unser Ideal, unsere Zielvorstellung zum Problem.

Wie können wir unseren Idealen und inneren Ansprüchen entgegentreten, wenn sie uns nicht helfen, sondern uns quälen?

Der Psychoanalytiker Donald Winnicott (1896-1971) hat ein Konzept entwickelt, das ich zu diesem Thema hilfreich finde.

Winnicott hat mit Kindern gearbeitet und immer auch die Beziehungen zwischen Eltern bzw. vor allem Müttern und Kindern beobachtet. (Er hatte fast ausschließlich mit Müttern zu tun, weil die Erziehungsaufgabe damals nahezu immer die Mütter übernahmen.)

Und er hat Mütter, deren Kinder er behandelt hat, befragt, wie sie sich fühlten.

Er fand heraus, dass diese Mütter sich oft wie Versagerinnen fühlten.

Und zwar deshalb, weil ihre Kinder und auch die Mütter selbst nicht den inneren Vorstellungen und Idealen entsprachen, die sie an sich hatten.

Zum Beispiel schafften es die Kinder nicht auf die besten Schulen, obwohl die Mütter das gerne gewollt hätten. Oder zu Hause war es oft nicht so ordentlich, wie sich die Mütter das vorstellten. Oder es gab Konflikte und Streitereien, obwohl manche der Mütter dachten, sie müssten es schaffen, immer eine harmonische Atmosphäre herzustellen.

Das Entscheidende daran war: dass die Mütter an sich selbst und an solchen ,Umständen’ litten, weil sie nicht ihren (idealen) Vorstellungen entsprachen.

Sie litten an der Diskrepanz zwischen dem, wie sie als Mütter, wie ihre Kinder, ihre Beziehung, ihr Zuhause und so weiter ihren inneren Idealen entsprechend sein sollten und dem, wie letztendlich die Realität aussah.

Wenn diese Diskrepanz groß war, waren manche der Mütter regelrecht verzweifelt.

Das führte dazu, dass sie sich unter Druck setzten, sich kritisch beobachteten, dauernd irgendwelche Erziehungsratgeber lasen und immer wieder dachten, sie machten ihre Erziehungsaufgabe nicht richtig und sie seien nicht gut genug.

Perfektionistische Ansprüche sind sehr oft nicht hilfreich und tun uns auch nicht gut

Für Winnicott stellte sich bei seiner Arbeit mit den Kindern dieser Mütter heraus, dass diese extreme Anstrengung, die die Mütter sich aufluden, weder für die Mütter noch für die Kinder hilfreich waren.

Im Gegenteil wurde in der Behandlung der Kinder deutlich, dass sich das auf die Kinder niederschlug: diese fühlten sich auch nicht gut genug und entwickelten deshalb häufig ein falsches Selbst (Lesen Sie dazu auch diesen Blogartikel…)

Vor diesem Hintergrund entwickelte Winnicott das Konzept der ,good enough mother’: er konstatierte, dass es für die Mütter absolut ausreichte, eine ,ausreichend gute Mutter’ zu sein.

Es sei wichtig, dass die Mütter dahin kämen, dies nicht nur zu wissen, sondern es auch zu fühlen: dass sie in ihrer Mutterschaft ,gut genug’ waren.

Diese Idee sollte helfen, die zum Teil extremen Anstrengungen der Mütter abzuschwächen.

Wie stark fühlen Sie sich selbst in Ihrem Perfektionismus
und in Ihren inneren Ansprüchen gefangen?

Mein psychologisch fundierter 5-Minuten Selbsttest schafft Klarheit!


Wie ist denn nun eine Mutter ,gut genug'?

Nach Winnicotts Meinung brauchen Kinder also keine idealen Mütter/Eltern.

Wichtig ist seiner Meinung nach: dass die Mütter grundsätzlich da und grundsätzlich wohlwollend sind.

Eine ,good enough mother’ ist eine Mutter, die ihr Kind grundsätzlich lieben kann und das Beste für es möchte.

Gut genug ist eine Mutter auch, wenn sie mal nicht so reagieren kann, wie sie es normalerweise tut. 

Wenn sie mal müde ist, mal mürrisch, mal ungerecht.

Und die, wenn sie fühlt, dass sie das gerade ist, sich trotzdem ,gut genug’ fühlt. 

Diese Haltung von Müttern (und Eltern) führt dazu, dass sie sich selbst weniger unter Druck setzen.

Und wenn sie weniger unter Druck sind, dann sind sie in besserer Stimmung.

Und wenn sie besser gelaunt und zufriedener sind, dann können sie eine Aufgabe oder auch einen Konflikt mit ihren Kindern besser lösen.

Zur Ergänzung: Winnicott bemerkte natürlich auch Verhaltensmuster der Mütter, die seiner Meinung nach nicht gut genug war.

,Nicht gut genug’ fand er Mütter, die nicht auf ihr Kind eingehen konnten. Die es mit dem, was es brauchte und fühlte alleine ließen.

,Nicht gut genug’ bezeichnete er auch ,zu gute’ Mütter: wenn sie zu viel auf die Bedürfnisse des Kindes eingingen und es dem Kind dadurch nicht erlaubt war, Mangel zu spüren, dann ist auch das nicht förderlich. (Ein Kind muss Mangel fühlen und aushalten können, um in der Zeit des Mangels die Hoffnung zu entwickeln, dass dieser Mangel behoben wird. Also auch, um denken zu lernen. (Das wäre dann auch nochmal ein Thema für sich…))

Ist dieses Konzept ,good enough' nur für die Erziehungsaufgabe relevant?

Da Winnicott insbesondere mit Kindern arbeitete, entwickelte er das Konzept der ,good enough mother’ wie gesagt in Bezug auf die Mutterschaft bzw. Elternschaft.

Wir können es aber auch auf das Leben insgesamt anwenden.

Perfektionistische Ansprüche an uns selbst und an andere gibt es in allen Bereichen.

Wir wissen jetzt, dass es nicht sehr förderlich ist, sich auf perfektionistische Ideale einzuschießen.

Sich ,gut genug’ zu fühlen kann uns also auch in anderen Bereichen helfen.

Zum Beispiel bei der Arbeit und in der Liebe. Und vor allem auch bei uns selbst.

Wir fühlen uns nicht immer perfekt. Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir furchtbar aussehen und uns schlecht benehmen. Manchmal sind wir nicht höflich. Manchmal haben wir Gefühle, die wir lieber nicht haben würden: wir sind wütend, wir sind unausgeglichen, wir sind ungerecht.

Oder wir schaffen nicht das, was wir uns vorgenommen haben. Wir fühlen uns müde und sind faul, obwohl wir uns ganz viel vorgenommen haben.

Manchmal ist uns langweilig. Manchmal ist uns alles zu viel. Manchmal mögen wir unseren Partner nicht. (Und manchmal auch unsere Kinder.) Manchmal sehen wir zu viel fern. Manchmal essen wir zu viel. Manchmal machen wir keinen Sport.

Oder eine Kampagne in unserem Business bringt nicht das, was wir uns erhofft haben.

Uns dann sagen zu können: wir sind und es ist trotzdem gut genug.

Sie kennen das schon von mir: wie immer ist es wichtig, dass uns unsere (hohen) inneren Ansprüche und unsere Ideale bewusst sind

Hohe innere Ansprüche sind wichtig. Aber sie können sehr quälend sein. Vor allem, wenn sie unbewusst sind.

Wenn wir uns gar nicht darüber im Klaren sind, welche inneren Ansprüche, Ziele und Forderungen wir an uns stellen, dann übernehmen diese Ideale und Ansprüche das Zepter und herrschen quasi über unser Leben.

Das hat Winnicott gemerkt, als er die Mütter der Kinder, die er behandelt hat, gefragt hat.

Er hat bemerkt, wie verzweifelt sie einem Ideal nachgehangen sind, wie schwer es war, wenn etwas nicht so war, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Wie schwer es also im Grunde für die Mütter war, mit der Realität zurecht zu kommen.

Und dadurch, dass er das bemerkt und mit den Müttern darüber gesprochen hat, dadurch wurde es auch den Müttern bewusst.

Und erst dann konnten sie es ändern. Oder eben auch nicht, wenn sie nicht wollten.

Aber sie hatten eine Wahl.

Mein Fazit

Wir brauchen Durchhaltevermögen und Geduld, um unser Leben zu meistern.

Manchmal ist das Leben nicht besonders interessant. Manchmal verzweifeln wir an der Realität. Manchmal verzweifeln wir an unseren Kindern, an unserem Partner, an unseren Mitarbeitern, an uns selbst.

Weil wir uns das Ganze anders vorgestellt haben.

Ich glaube, es ist eine große Herausforderung und es braucht meiner Meinung auch Mut, immer mal wieder zurückzutreten und sich zu sagen: mein Leben ist gut genug.

Auch wenn manches und vielleicht auch vieles nicht so ist, wie wir es uns vorgestellt und erträumt haben.

Wie gesagt: das soll nicht heißen, dass wir nicht Träume, Vorstellungen, Ideale und auch Ansprüche an unser Leben (und an alles, was es beinhaltet) haben dürfen und sollen und dass wir alles tun können, um diese auch zu verwirklichen.

Und wie gesagt: als Unternehmer und Selbstständiger treiben uns diese Ansprüche und Ideale auch an und motivieren uns.

Aber anders als viele Lifecoaches glaube ich nicht, dass alles machbar ist.

Und meine 25-jährige Erfahrung als Psychologin zeigt mir auch, dass das so ist.

Ich gehe davon aus, dass wir Menschen Grenzen haben.

Und innere Konflikte.

In dem gerade besprochenen Zusammenhang haben wir FOLGENDEN KONFLIKT:

Auf der einen Seite haben wir ein Ideal, wie unser Leben aussehen soll.

(Manchmal hindert uns etwas in unserem Inneren, dorthin zu kommen, wo wir hinwollen, auch wenn es möglich wäre. Auch das kann ein Problem sein.)

Aber an dieser Stelle jetzt und hier interessiert uns die andere Seite des Konflikts:
Es gibt Realitäten, die uns zwingen, etwas zu akzeptieren, was wir uns ganz anders
vorgestellt haben.

Wenn wir zum Beispiel einen schlechten Tag haben. Wenn wir nicht gut geschlafen haben und den ganzen Tag müde sind. Wenn wir krank werden. Wenn wir an unsere Grenzen kommen. Wenn unsere Kinder etwas anderes wollen als wir uns das für sie ausgedacht haben. Oder wenn plötzlich ein Krieg über uns hereinbricht…

Und damit klarzukommen und nicht daran zu verzweifeln, wenn es eben nicht so geht, wie wir uns das vorgestellt haben…

…diesen inneren Konflikt zwischen Ideal und Realität auszutaxieren…

…das ist – immer wieder neu – eine Herausforderung!

Und deshalb:

Vielleicht reicht es ja heute, ,gut genug’ zu sein? Und morgen auch…

Finden Sie sich in einigen der oben beschriebenen Punkte oder sogar in vielen wieder?

Haben auch Sie immer wieder das Gefühl, dass gut genug eben NICHT GUT GENUG ist?

Möchten Sie sich davon befreien und dadurch stressfreier und selbstbestimmter leben?

Dann vereinbaren Sie jetzt einen kostenfreien Termin mit mir!

In einem KLÄRUNGSGESPRÄCH können wir darüber sprechen, wie ich Ihnen dabei helfen kann, selbstbestimmter und freier zu leben?

 

 

Greta Rauschenberg   
Diplom-Psychologin